Deshalb habe ich Gents gegründet
Von: Jenny Rydhström

Es war reiner Zufall, dass ich in dieser Branche gelandet bin. Zusammen mit meinen beiden Cousinen hatte ich den Beschluss gefasst, Unternehmerin zu werden, die Frage war nur, in welchem Bereich. Mein Vater hat sich sein ganzes Leben lang mit Einwegrasierern abgemüht, und kleine Flusen Toilettenpapier in Papas Gesicht waren an unserem Frühstückstisch an der Tagesordnung. Natürlich waren die Rasierer von Gillette schon in den frühen 2000er Jahren im Supermarkt erhältlich, aber wer etwas mit mehr Klasse und Stil als bei einem Kunststoffhobel haben wollte, musste in die nächste Metropole fliegen, um ein Sortiment zu finden, das diese Bezeichnung auch verdient. Was für ein perfekter Grund, ein eigenes Unternehmen zu gründen!
Die Idee war von Anfang an, Gents als ein Tor zur Welt zu sehen. Unsere Produkte sollten Sie gedanklich in das energiegeladene Getümmel einer Großstadt beamen, von Sirenen umgeben, oder an einen dicht gedrängten Marktplatz in einem aufregenden Land, weit weg vom Alltag. Wir haben viel Zeit damit verbracht, in Online-Foren nach Informationen und Produkttipps zu suchen, Händler anzurufen und uns in herausfordernden Sprachmischungen aus Chinesisch, Spanisch und Englisch durchzuschlagen.
Und so sah das Leben als Chefin eines Unternehmens am Anfang aus. Ich war an ein ziemlich (naja) glamouröses Leben als Steueranwältin in Stockholm und New York gewöhnt und fand mich auf einmal in einer Lagerhalle im kleinen Helsingborg wieder. Und das hat mir eigentlich sehr gut gefallen – bis auf die finanzielle Situation. Ein neu wachsendes Unternehmen ist ein richtiger Geldfresser, und was eventuell am Ende des Jahres noch übrig war, ging in Form von Steuern an den Staat. Das Leben als Unternehmerin war kein Zuckerschlecken, was mir perfekt passte. "Ein Drachen steigt nicht bei Rückenwind, sondern bei Gegenwind" war schon immer mein Motto. Und Gegenwind gab es zur Genüge!
Ich würde niemals jemanden bitten, eine Aufgabe zu erledigen, die ich nicht auch selbst übernehmen würde, also waren die ersten Jahre, in der ich auch die Reinigung der Personaltoilette übernahm, eine wirklich gute Investition.
Wir wurden von chinesischen Händlern getäuscht, Bank- und Rechnungsbetrug ausgesetzt, gerieten in Markenrechtsstreitigkeiten, kämpften mit der Gewerkschaft um lächerliche Dinge, stritten uns mit Lieferanten, stritten uns untereinander (ich und meine Cousinen), verklagten den finnischen Staat und säuberten die Toiletten des Personals (weil wir das gesamte Budget in das Wachstum des Unternehmens investierten, blieb kein Geld für eine Reinigungsfirma übrig).
Ich würde niemals jemanden bitten, eine Aufgabe zu erledigen, die ich nicht selbst übernehmen würde, also waren die ersten Jahre, in der ich auch die Reinigung der Personaltoilette übernahm, eine wirklich gute Investition. Kein Angestellter bei Gents, und ich meine wirklich niemand, hob auch nur eine Augenbraue, wenn ich ihn bat, den Müll rauszutragen, Erbrochenes zu beseitigen (ja, das Parfüm bekam dem Kunden wirklich nicht), bei Eiseskälte eine Inventur in der Lagerhalle durchzuführen oder am Heiligabend bis 23:00 Uhr zu arbeiten und am 1. Weihnachtstag um 07:00 Uhr wieder vor Ort zu sein. Als Chefin muss man die Standards selbst setzen und leben, dann folgt auch das Personal dem Beispiel.
Das Ergebnis all dieser harten Arbeit ist ein Sortiment, das in der Produktwelt für Männer in Schweden unübertroffen ist. Ja, eigentlich sogar fast auf der ganzen Welt. Das Unternehmen wuchs immer schneller, die Anzahl der Mitarbeiter vervielfachte sich und es wurden zusätzliche Bereiche zum Geschäftsmodell hinzugefügt. Plötzlich hatten wir neben dem Onlineshop auch physische Läden und verkauften unsere eigenen Marken an NK und Åhlens. Im soeben abgeschlossenen Jahresbericht konnten wir einen Umsatz von 88 Millionen Euro verzeichnen.
Mein Vater starb einige Jahre, nachdem ich Gents gegründet hatte, bei einem Bootsunfall. Noch heute versetzt es mir einen Stich ins Herz, wenn Männer im oberen Bereich des mittleren Alters (mein Vater war bei seinem Unfall 57 Jahre alt) den Kundenservice anrufen oder eine E-Mail mit Fragen zu ihren individuellen Problemen senden, von schütterem Haar bis Schwitzen. Ich weiß, dass es ein langer Weg ist und viel Mut erfordert, in diesem Alter mit einer fremden Person über diese Dinge zu sprechen. Zu den Vorbildern meines Vaters zählten Winston Churchill und James Bond, die Männlichkeit wie sonst kaum jemand repräsentieren, und, so die Annahme, definitiv keine Schönheitshilfe brauchten, um in die Geschichte einzugehen.
Selbstverständlich können wir nicht hinter die Kulissen blicken, aber in Wahrheit haben diese Helden bestimmt eine unglaubliche Menge an Schönheitshilfe erhalten. Erst kürzlich habe ich ein Bild von Sean Connery ohne Make-up und Styling gesehen, auf dem er aussieht wie ein ganz gewöhnlicher schwedischer Herr im Rentenalter. Ich muss zugeben, dass das mein Weltbild in gewissem Maße zerstört hat. Dennoch bin ich froh darüber, dass mein Vater diese Tatsache nicht realisiert hat und die Illusion aufrechterhalten konnte, dass einige Männer einfach von Natur aus attraktiv sind und männlich genug, um aus Zügen zu springen, Bösewichte mit Goldzähnen zu jagen und Blondinen zu verführen – und das alles ohne auch nur einen Tropfen Schweiß. Heute verstehe ich, dass James ohne Zweifel die Mutter aller Deodorants besessen haben muss, sonst wäre diese Blondine aus purer Bewusstlosigkeit nach engem Kontakt mit seiner Achselhöhle in einer horizontalen Position gelandet.
Nun gut.
Die meisten Menschen mögen es, wenn eine Person sauber ist, gut riecht und gepflegt wirkt. Der Mann von heute bestätigt dies und findet seinen eigenen Weg mit seinen eigenen Routinen, weit weg vom Weiblichen. Ich habe das Gefühl, dass die Zeit vorbei ist, in der der Ehemann heimlich die Feuchtigkeitscreme seines Partners verwendet oder seine Frau das Parfüm für ihn kaufen lässt (nach ihrem persönlichen Geschmack). Heute marschieren sachkundige, gut informierte und selbstbewusste Männer durch unsere Türen, bestellen Parfüms nach Duftnoten und diskutieren mit dem Wissen eines Professors über den richtigen Winkel einer Rasierklinge. Oder sie belehren unsere Mitarbeiter darüber, warum das Bartöl Distelöl anstelle von marokkanischem Arganöl enthält, das sie so viel besser finden. Das gehört für uns zum Alltag. Ebenso oft kommt es aber auch vor, dass man auf einen Mann trifft, der rot wird und fragt, ob es ein Heilmittel für seine Rasierpickel oder das schüttere Haar auf seinem Kopf gibt und dem es immer noch peinlich ist, darüber zu sprechen. Dann denke ich an meinen Vater. Und antworte, dass schütteres Haar ein Zeichen von Männlichkeit ist und daher mit Stolz getragen werden sollte.
Aber wenn er trotzdem etwas dagegen unternehmen will, ist er bei uns genau richtig.